Im Mai 1921 wurde mit Joseph Beuys einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts in Krefeld geboren. Zu seinem 100. Geburtstag lud das Theater Krefeld/ Mönchengladbach Sebastian Blasius ein, einen performancebasierten Theaterabend zu inszenieren, der an Beuys’ künstlerischen Kosmos anknüpft. Der Abend gliedert sich in drei Teile und kann als Eintritt in die Recherche zu einem ‚postsouveränen Theater‘ verstanden werden. Der erste Teil arbeitet an einer Dezentrierung des Humanen: Der Raum wird nicht mehr anthropozentrischen Perspektiven unterworfen, zur Disposition steht die Identität des Humanen selbst. Auf diesem fragilen Grund tritt in Teil zwei eine protagonistische Verkünderfigur auf, die auf Beuys und seine partielle Selbsterhöhung als Hirte, aber auch auf heutige, vermeintlich sinn- und identitätsstiftende Verkünderfiguren in ihrer Ambivalenz verweist. In Teil drei wird die Idee eines permanenten Gesprächs aufgegriffen, bei dem Gedanken zu gesellschaftlicher Veränderung modelliert werden, wie Beuys es bei der documenta 1972 versuchte. Hier allerdings handelt es sich eher um Schein-Gespräche: die Stimmen kommen wie von anderswo, die Identitäten der Sprechenden bleiben in der Schwebe. Über aktivistischem Furor erscheint der Polyeder aus Albrecht Dürers ‚Melencolia I‘.
Konzept/ Inszenierung Sebastian Blasius / Bühne/ Kostüm Caspar Pichner / Dramaturgie Martin Vöhringer / Text Christoph Klimke, Björn SC Deigner, Anne Tismer, Kaja Draksler u.a. / Mit Jannike Schubert, Eva Spott, Paul Steinbach, Philipp Sommer, Ronny Tomiska, Bruno Winzen
Die Uraufführung ist Theater im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs; keine Bühnenerzählung mit Figuren, die Identifikationsangebote machen, sondern ein vielstimmiger, installativer Diskursraum, vielleicht der Versuch einer Sozialen Plastik oder der Versuch, dem auf die Schliche zu kommen, was eine Soziale Plastik sein könnte. (…) „Beuys‘ Küche“ (ist) sowohl weit und lang nachhallende Echokammer als auch kritische Reflexion eines Künstlers, der keine klaren Grenzen zwischen Kunst, Leben, Politik und Spiritualität gezogen hat, dessen radikales Denken und Handeln bis heute Wellen schlägt. (…) Der Theaterabend könnte den klugen Anfang eines langen Gesprächs im Geiste einer Beuysschen „permanenten Konferenz“ bilden.
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