Im antiken Drama war der Chor zentrales Element auf dem Theater – er fand seinen Platz zwischen den Protagonist*innen und dem Publikum. Mit dem Theater der Neuzeit verschwand er tendenziell von den Bühnen und mit ihm die kommentierende oder infragestellende Stimme des Kollektivs. ‚Chöre des Spekulativen‘ mutmaßt, was der Chor zu den Texten und Szenen der Neuzeit zu sagen, wie er sich zu ihnen verhalten hätte, wäre er nicht von ihnen ausgeschlossen worden: Wie hätte er sich positioniert zum Theater des Barock, zum Theater der Aufklärung, wie zum Theater der Nachkriegszeit? Wie hätte er diese Szenerien, die zumeist das Individuum ins Zentrum stellen, kommentiert, wie sie konterkariert, wie hätte er ihnen beigewohnt? ‚Chöre des Spekulativen‘ lädt ein zur Begegnung mit einem Chor, der sich spekulativ-retrospektiv wesentlichen Stationen der Theatergeschichte annähert. Autor*innen aus Jordanien, Brasilien, China, der Türkei, Marokko, Burkina Faso, Griechenland und Deutschland schreiben nachträglich chorische Stimmen in stilbildende Szenen des ‚westlichen Kanons‘ hinein und perspektivieren sie dadurch neu. In einer szenischen Installation werden die Zuschauer*innen Teil einer mobilen Gemeinschaft, die ihre Perspektive(n) stetig neu wählen kann.
Regie: Sebastian Blasius / Raum: Mark Lammert / Dramaturgie: Dirk Baumann / Licht: Jakob Boeckh
Mit: Berit Jentzsch, Leonard Dick, Alexandra Finder, Fabian Hagen, Maria Helgath, Brigitta Schirdewahn
Mit Texten von Ebru Nihan Celkan, Vinicius Jatobá, Amahl Khouri, Paul P. Zoungrana, Karima El Kharraze, deufert + plischke, Zhu Yi, Björn SC Deigner, Antigone Akgün, Sophokles, Henrik Ibsen, Jean Racine, Molière, Samuel Beckett, William Shakespeare, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller u.a.
„Eine hoch elaborierte, in seiner fragmentarischen Dichte kryptisch bleibende Sprech-Spiel-Choreografie ist daraus geworden, die Mythen und Stile zu verknüpfen sucht (…). Die Spieler gehen dabei immer gemäßigt, gezielt quer im leeren Raum umher, positionieren sich bedächtig zu Tableaus, schauen sich spannungsreich an und wippen ihre eigenen Rhythmen. Gesucht ist in allem der Chor der Vielen.“
Berliner Zeitung
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